RASENTHEMEN SEIT 1999

Rasenthema: September 2021

Autor: © Dr. Klaus Müller-Beck, Ehrenmitglied Deutsche Rasengesellschaft e.V.


Klimawandel erfordert Anpassungen bei Rasengräsern

 

Einleitung

Die Anforderungen bei der Leistungsfähigkeit der Gräser nehmen mit der Veränderung des Klimas ständig zu. So können die Hitze-Sommer der vergangenen Jahre als typisch ungewöhnlich angesehen werden (s. Abbildung 1), für die Gräser entstehen dadurch Grenzbereiche bei der Hitzeverträglichkeit. Das Gleiche gilt für die derzeitigen Starkregenereignisse mit Überschwemmungen. Ein ständiger Wechsel zwischen zu nass und zu trocken, ist ein deutliches Zeichen für den Klimawandel. Dieses Phänomen ist allerdings global zu betrachten.
Beim Rasen haben die Extreme von Hitze und Trockenheit deutlich negative Auswirkungen auf die Blätter und Wurzeln. Bei der Grundversorgung mit Wasser und Nährstoffen sorgen nämlich gerade die Gräserwurzeln für den Nachschub bei Trockenstress. Vor diesem Hintergrund richtet sich neuerdings ein Züchtungsschwerpunkt verstärkt auf die Ausprägung des Wurzelsystems bei den Gräserarten.

 

Die Grafik zeigt die sogenannten „Warming Stripes“ nach HAWKINS (2021) für den Zeitraum 1881 bis 2020.
Abb. 1: Die Grafik zeigt die sogenannten „Warming Stripes“ nach HAWKINS (2021) für den Zeitraum 1881 bis 2020.
Die Farbe Blau steht für kälter und Rot für wärmer als der langjährige Durchschnitt.
(Quelle: https://showyourstripes.info)

 

„Die Beobachtungen des Deutschen Wetterdienstes sind eindeutig. Es wird rasant wärmer, mehr Hitzewellen bedrohen unsere Gesundheit, jeder muss mit Schäden durch heftigeren Starkregen rechnen. Der Klimawandel hat Deutschland im Griff.“ Das erklärte Tobias Fuchs, Leiter der Abteilung Klima und Umweltberatung des Deutschen Wetterdienstes (DWD, 2021), bei der Vorstellung des „Monitoring-Berichts zu Klimawandelfolgen“ in Deutschland im November 2019.

 

Gräserzüchter reagieren

Der Klimawandel führt dazu, dass Trockenheit, insbesondere Frühjahrstrockenheit, in Nordeuropa immer häufiger auftritt. Aus diesem Grunde werden bei dem Züchter DLF trockenheitstolerante Sorten umfassend getestet.
In der einzigartigen Wurzelscreening-Anlage (RadiMax) wird die Wurzelarchitektur untersucht. Basierend auf diesen Erkenntnissen werden Gräsersorten verifiziert, und in Kombination mit weiteren Forschungsdaten, als besonders trockenheitstolerante Rasengräser angeboten (DLF, 2020).

 

Wurzel-Test in RadiMax.
Abb. 2: Wurzel-Test in RadiMax. (Quelle: www.dlf.com/roots)

 

Das neue Prinzip der Wurzelprüfung führt zu einer verbesserten Selektion von Gräsern, die sich den veränderten Klimabedingungen (Trockenheit) schneller anpassen können. Gräser mit einem derartig ausgeprägten Wurzelsystem sind widerstandsfähiger und können Wasser und notwendige Nährstoffe unter schwierigen Bedingungen besser aufnehmen. So werden die Auswirkungen von Trockenheit minimiert.
Trockenheitstolerante Sorten nutzen verschiedene natürliche Mechanismen, um dem Wassermangel zu begegnen. Während einer Frühjahrstrockenheit ist in tieferen Bodenschichten noch Wasser verfügbar. Hier hilft eine tiefe Wurzelmasse zum Überleben. Bei einer anhaltenden Trockenheit bis in den Sommer aktiviert die Pflanze Phytohormone zur Steuerung der Stomata, um ihr Wachstum aufrechtzuerhalten.

 

Modelle zu Wurzeluntersuchungen

Nach BORRINK (2021) nutzen die Züchter seit geraumer Zeit das Wurzelsystem beim Umgang mit der Trockenresistenz, denn das Wachstum von Spross und Wurzel ist eng miteinander verbunden (NDOUR et al., 2017). Nur mit Informationen aus dem Zusammenspiel der oberirdischen und unterirdischen Pflanzenteile ist es möglich, Rasengräser zu züchten, die diesen enormen Umweltbedingungen standhalten.
Da das Wurzelsystem einer Pflanze durch die Bodenmatrix gegenüber visueller Beobachtung abgeschirmt ist, stellt das Studium des in situ Wurzelwachstums eine schwierige Aufgabe dar (BORRINK, 2021). Die Wurzelforschung unter natürlichen Feldbedingungen ist ein „Stiefkind“ der Wissenschaft (BÖHM, 1984). Um dieses wichtige Pflanzenorgan dennoch genauer analysieren und beschreiben zu können, wurden eine Vielzahl von Methoden entwickelt, die es ermöglichen, bestimmte Wurzelparameter destruktiv oder nicht destruktiv zu erfassen (BORRINK, 2021).

Im Rahmen eines neuen Forschungs- und Entwicklungsprojektes wurde an der Hochschule Osnabrück ein kostengünstiges Modell entwickelt, mit dem die Durchwurzelungstiefe von unterschiedlichen Rasengräserarten möglichst praktikabel ermittelt werden kann (BORRINK, 2021). Die Anwendung dieses Röhren-Modells wird jetzt in einem aktuellen Versuchsprojekt getestet und standardisiert. Entsprechende Ergebnisse werden zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht.

 

Gräser-Empfehlungen für die Zukunft

Bei der Frage nach den geeigneten Grasarten für den Standort Deutschland, wird inzwischen auch die Möglichkeit zur Verwendung von Warmzonen-Gräsern betrachtet. In südlichen Regionen Südwestdeutschlands mag sich das Bermudagrass (Cynodon dactylon) oder das Zoysiagrass (Zoysia japonica) an einigen Standorten als Gebrauchsrasen während der warmen Sommermonate behaupten. Allerdings führt die ausgeprägte Winter-Dormanz der C4-Gräser in unseren Breiten sehr rasch zu braunen Rasenflächen von Oktober bis Mai (MÜLLER-BECK, 2016). So bleibt es für den Standort Deutschland zunächst noch bei der Wahl der geeigneten Rasenmischung beim Arten-Spektrum der Kaltzonen-Gräser (C3-Gräser).

 

Warmzonen-Gräser als mögliche Alternative beim Gebrauchsrasen?
Abb. 3: Warmzonen-Gräser als mögliche Alternative beim Gebrauchsrasen? Links im Bild Zoysia-Fertigrasen
(Warmzonen-Gras) als Testparzelle im Sommer 2021 in einem Versuch der HS Osnabrück, „Rasenmanagement“.
(Foto: K.G. Müller-Beck)

 

In einem aktuellen Beitrag berichtet NONN (2021) erneut über geeignete Sorten und Arten mit Hitze- und Trockenheits-Verträglichkeit für die Rasenanwendung.
Interessante Ergebnisse liefert eine Hybridvariante der Wiesenrispe im Gefäßversuch bei der Beurteilung der Hitzeverträglichkeit, siehe Abbildung 4.

 

Gefäßversuch in der Klimakammer
Abb. 4: Bei einem Gefäßversuch in der Klimakammer zeigte die Sorte „Themal blue“, ein Hybride aus Poa arachnifera x Poa pratensis, den besten Aspekt bei Hitze-Stress im Vergleich zu „Dynasty“ Festuca arundinacea und „Apollo“ Poa pratensis. (Quelle: Vortrags-Handout, H. Nonn, 2016) in MÜLLER-BECK, 2016

 

Generell ist die Toleranz der Gräser gegenüber Hitze und Trockenheit sehr unterschiedlich ausgeprägt, dies wird in zahlreichen Literaturangaben bestätigt.
Auffällig empfindlich sind die flach wurzelnden Gräser Poa annua und Poa trivialis (Jährige Rispe/Gemeine Rispe), sie kommen mit der veränderten Situation nur schwer zurecht. Hier bietet sich eine Möglichkeit zur Bestandsveränderung, indem durch Austrocknung diese Arten zurückgedrängt werden.

Deutlich toleranter sind die Grasarten Poa pratensis (Wiesenrispe), Festuca ovina/trachyphylla (Schafschwingel/Raublättriger Schwingel) und Festuca arundinacea (Rohrschwingel). Die Verwendung von Poa pratensis und verschiedene Arten von Festuca in Rasenmischungen können aufgrund der guten Hitze- und Trockenheitstoleranz zu einer Reduzierung des Beregnungsbedarfs und zu einem guten Rasenaspekt auch bei Hitze beitragen (NONN, 2021).
Bei den RSM-Mischungen stehen für den Gebrauchsrasen zwei Varianten für Trockenlagen (RSM 2.2) mit den oben genannten Arten zur Auswahl.

NONN (2021) berichtet, dass Mischungen mit hohen Anteilen an Festuca trachyphylla oder Festuca arundinacea auch bei Trockenheit am längsten grün bleiben und sich bei Wiederbewässerung am schnellsten regenerieren. Beide Grasarten sind jedoch schwierige Mischungspartner. Festuca arundinacea erfordert
einen tief durchwurzelbaren Boden mit guter Wasserspeicherung im Untergrund. Auf flachgründigen Böden kann der Rohrschwingel seine Vorteile nicht ausspielen.
Eine stickstoffbetonte Düngung im Spätherbst kann die eher gelbliche Winterfarbe bei Festuca arundinacea deutlich verbessern. Neuere Sorten zeigen in den Rasenprüfungen des Bundessortenamtes eine bemerkenswerte Verbesserung im Winteraspekt.

 

Forschungsprojekt Klimarasen gestartet

Auch mit der Unterstützung der Deutschen Rasengesellschaft e.V. wurde im Sommer 2021 ein Gemeinschaftsprojekt „Klimarasen“ mit dem Arbeitstitel: „Development of grass seed mixtures, adapted to the outcome of climate change“, an verschiedenen Standorten in Deutschland angelegt.
Mit ausgewählten neuen Mischungspartnern soll die Eignung von Gräsern, Kräutern und Leguminosen unter den veränderten Temperatur -und Feuchtebedingungen mit dem Ziel geprüft werden, hitze- und trockenheitsresistente Rasenmischungen zur gemäßigten Nutzung als Gebrauchsrasen zu entwickeln.

 

Versuchsanlage „Klimarasen“ an der HS Osnabrück.
Abb. 5: Versuchsanlage „Klimarasen“ an der HS Osnabrück. Im Vordergrund Mischungen aus Gräsern, Kräutern und Leguminosen. (Foto: K.G. Müller-Beck)

 

Unter der Federführung der LWG Veitshöchheim sind folgende Institutionen an dem Forschungsvorhaben beteiligt:

  • Bayer. Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau Veitshöchheim, Institut für Stadtgrün und Landschaftsbau,
  • Hochschule Osnabrück, Rasenmanagement,
  • Staatsschule für Gartenbau Stuttgart-Hohenheim,
  • Lehr- und Versuchszentrum Gartenbau Erfurt,
  • Sächsisches Landesamt f. Umwelt, Landwirtschaft u. Geologie, Dresden Pillnitz,
  • Rasenforschung Eurogreen, Rosenheim/Ww.

Das Projekt ist für eine dreijährige Versuchsdauer zunächst bis Ende 2023 geplant.

 

Fazit

Rasenmischungen mit einem hohen Anteil an Rohrschwingel (Festuca arundinacea)
werden vermutlich in naher Zukunft verstärkt angeboten und nachgefragt, da sie derzeit gute Ergebnisse bei der Überdauerung von Trocken- und Hitzeperioden zeigen. Für die Pflege bedeutet das, die Vitalität des Rohrschwingels mit einer Spätherbstdüngung zu unterstützen und beim Rasenaspekt dürfte für manchen Rasenbesitzer die grobe Textur der Narbe gewöhnungsbedürftig sein.

 

 

Quellenhinweise:

 

 

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